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Sich als Solo-Unternehmer den eigenen Markt schaffen und ausbauen – Interview mit Ingrid Meyer-Legrand

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IML_01Positionierung ist für viele Solo-Unternehmer ein heikles Thema.  Vielen fällt es schwer, der Austauschbarkeit zu entkommen.

Doch was geschieht im gegenteiligen Fall? Wenn man sich auf ein Thema spezialisiert, für das es noch gar keinen Markt gibt? Wie schafft man es, sich am Markt damit durchzusetzen?

Wie kann man als Expertin weitere Themen aufnehmen, ohne dass ein Bauchladen entsteht? Wie lässt sich das Geschäftsmodell weiter entwickeln?

Auf diese und noch weitere Fragen gibt das folgende Interview Antwort, das ich mit Ingrid Meyer-Legrand führte. Wir kennen uns seit vielen Jahren und ich bin sehr beeindruckt von dem Weg, den sie genommen bzw.  – besser ausgedrückt – sich geschaffen hat.

Das Interview hat einen Doppelcharakter: Zum einen berichtet Ingrid Meyer-Legrand aus ihrer Arbeit, die auch Solo-UnternehmerInnen betrifft. Darüber hinaus beleuchten wir ihr damit einhergehende unternehmerische Entwicklung.

 

Frau Meyer-Legrand, mit Ihrer Kriegsenkel-Thematik besetzen Sie ein sehr ungewöhnliches Thema. Weshalb ist dieses Thema heutzutage noch aktuell, und was bewirken Sie für Ihre Klienten?

KlientInnen suchen meine Praxis auf, um für sich zu klären, warum sie beruflich nicht vorankommen oder privat nicht zufrieden sind. Irgendwann kommen sie zu der Frage: „Warum bin ich so, wie ich bin?“

Für viele ist es heilsam, wenn sie feststellen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem, was sie heute erleben, und ihrem Aufwachsen bei Eltern, die von Krieg und Flucht gezeichnet waren. Viele sind aufgrund der Traumatisierung ihrer Eltern früh – häufig für die ganze Familie – verantwortlich gewesen. Das hat viele von ihnen überfordert.

Mit diesem Hintergrund haben viele Kriegsenkel Schwierigkeiten einen Platz im Leben und in der Gesellschaft zu finden. Sie meinen, ständig Top-Leistungen erbringen zu müssen – beruflich und privat. Auch die Multioptionsgesellschaft stellt hohe Anforderungen an die Einzelnen. Ständig darf, aber muss man sich neu erfinden.

Diese Probleme sind es, die viele Kriegsenkel umtreiben – also eine keineswegs rückwärtsgewandte ‚Bewegung’. Denn die Suche nach den Wurzeln wird von der Gegenwart aus gesteuert. Die Sicht auf die Vergangenheit wird von den aktuellen Wünschen und Nöten bestimmt.

 

Woran kann man erkennen, ob man selbst von der Kriegsenkel-Thematik betroffen ist?

Viele meiner Klienten kommen in ihrer Karriere trotz großen Einsatzes nicht weiter. Sie pendeln immer wieder zwischen einem „Sich ausruhen“, – das zeigt sich oftmals in Depressionen, Burnout etc. – , und einem erneuten Durchstarten in der Leistungsgesellschaft.

Kriegsenkel hatten den Auftrag, ihre traumatisierten Eltern zu retten, ein Auftrag, dem sie selbstverständlich nicht genügen konnten. Das nagt bis heute an ihrem Selbstwertgefühl.

Gelernt haben sie durch diese frühen Erfahrungen, dass Beziehungen eingehen heißt, immerzu leisten zu müssen – beruflich und privat. Deshalb stoppen sie und starten immer wieder neu – in ihren Berufen wie in ihrem Privatleben.

Das heißt: Wer das Gefühl hat, nirgendwo anzukommen, sollte einen Blick auf seine Vergangenheit und die Beziehung zu seinen Eltern werfen.

Eine Kriegsenkel-Biografie beginnt eben mit dem Leid der Eltern. Dadurch konnten sie nicht einfach unbefangen Kinder sein, sondern mussten viel zu früh Verantwortung übernehmen.

Aber, und das ist eben die Kehrseite ein und derselben Medaille: Diese Erfahrungen haben sie auch stark gemacht, auch später in ihrem Leben Verantwortung zu übernehmen. Kriegsenkel findet man oftmals in Führungspositionen oder als Solo-UnternehmerInnen. 

 

Wie sind Sie zu dieser außergewöhnlichen Positionierung gekommen?

Bei einer Klientin haben wir lange Zeit keine Erklärung für ihre Rastlosigkeit gefunden: Alle zwei Jahre spürte sie den Drang, ihren Job zu wechseln.

Schließlich haben wir uns dieses Phänomen aus einer Mehrgenerationen-Perspektive angeschaut und stellten fest, dass ihre Mutter während des 2. Weltkriegs als Kind fliehen musste und hier auch im Erwachsenenalter innerlich nicht ankommen konnte. Dadurch ist mir die Kriegsenkel-Thematik erst bewusst geworden – und ich habe gemerkt, wie viele in dieser Generation davon betroffen sind.

Dass ich dieses Thema nun schon seit Jahren verfolge, habe ich auch Ihnen zu verdanken, Frau Birkner. Sie haben mich in einem Coachingprozess ermutigt, dieses Thema in den Mittelpunkt meiner Arbeit zu stellen.

 

Auf dieses Thema hat der Markt ja sicherlich nicht gewartet, sondern Sie mussten sich – wie das für Solo-Unternehmer mit einzigartigen Angeboten oftmals der Fall ist – Ihren Markt erst schaffen. Wie sind Sie von den ersten Anfängen zu Ihrer heutigen Bekanntheit gelangt?

Das ist richtig: Ich habe mir die Aufmerksamkeit von potenziellen Interessierten dadurch verschafft, indem ich zum Beispiel Vorträge und Workshops in großen Veranstaltungshäusern gehalten habe und nach wie vor halte.

Gleichzeitig habe ich angefangen, einen Kriegsenkel-Gesprächskreis zu leiten. Dadurch habe ich mir eine einzigartige Expertise angeeignet. Diesen GesprächsteilnehmerInnen bin ich sehr dankbar. Durch sie habe jede Facette dieses Themas kennen gelernt.

Außerdem denke ich, dass ich heute diese Aufmerksamkeit bekomme, hat sicherlich auch etwas mit meinem besonderen Ansatz zu tun: Viele sehen beim Thema Kriegsenkel nur das Leid. Ich hingegen sehe, dass auch die dunkelste Geschichte Lichtblicke hat.

Ich frage meine Klienten nach den Ressourcen, die aus ihrer besonderen Geschichte erwachsen sind. Das macht sie stark.

Ich betone, dass gerade diese Seiten ihrer Geschichte aus ihnen ganz besondere Persönlichkeiten mit ganz besonderen Lebensläufen und bemerkenswerten Karrieren gemacht haben. Viele meiner KlientInnen betonen auch meinen unkonventionellen Umgang mit ihrem Leid. Bei mir darf das Leid so lange besprochen und betrauert werden, bis die verletzte Seite endlich gesehen wird.

 

Mittlerweile hat sich Ihre Arbeit noch weiter entwickelt in Richtung Genogramm- und Lebenslinienarbeit. Was ist das und was kann ein/e Klient/in damit erreichen? 

Die Arbeit mit dem Familienstammbaum, dem Genogramm, bietet sich bei diesem Thema geradezu an. Es ist eine Art Diagramm, in das man die Daten von mehreren Generationen eintragen kann.

Dadurch kann man sich in den großen Strom seiner Vorfahren stellen und sich fragen, was man aus diesem reichen Erfahrungsschatz für sein eigenes Leben nutzen kann.

Oft wird in Lebensgeschichten nur Leid gesehen. Mithilfe des Genogramms jedoch lassen sich auch die Kraftquellen entdecken.

Kriegsenkel lernen „verschiedene Vergangenheiten“ kennen: Vielleicht war die „kalte Mutter“, von der bei den Kriegsenkeln so oft die Rede ist, nur in bestimmten Lebensphasen, aber keineswegs durchgängig so. Vielleicht war gerade die ungestillte Sehnsucht vieler Mütter der Impuls für die Töchter, alles anders zu machen als sie. So erscheinen neben der „dominanten“ Erzählung über die Familienvergangenheit oft sehr verschiedene, differenzierte und damit eben auch glückliche Geschichten.

Eine andere Methode, die ich selbst entwickelt habe, ist das My-Life-Storyboard: eine Art Zeitlinien-Arbeit, die bei der Frage, wie mit dem schweren Erbe umzugehen ist, nicht nur den Blick zurück auf die vorangegangenen Generationen berücksichtigt. Vielmehr wird auch die jüngere Geschichte, zu der die Kriegsenkel selbst einen aktiven Beitrag geleistet haben, reflektiert.

Wir untersuchen verschiedene biografische Stationen nach Deutungs- und Handlungsmustern und erkennen den familialen und den gesellschaftlichen Einfluss auf den Lebensentwurf und auch das, was die Einzelnen daraus in einzigartiger Weise gemacht haben.

Dadurch lernen Kriegsenkel ihre Kompetenzen kennen und können ihre „inneren Gewissheiten“ neu reflektieren und für berufliche oder/und private Anliegen nutzbar machen. Wo habe ich das, was ich mache oder anstrebe, gelernt? Worauf kann ich zurückgreifen?

Entlang dieser allgemeinen Frage nehmen die Einzelnen wahr, was sie für ihre aktuelle Aufgabe bereits mitbringen.

Spezifizieren lässt sich diese Frage in Bezug auf jedes Anliegen. „Wo haben Sie „führen“ gelernt?“ lautete bspw. der Titel eines Workshops, den ich im Juli mit angehenden Führungskräften durchgeführt habe. Aufgrund dieser frühen Rollenumkehrung – Kinder wurden zu Eltern ihrer Eltern – haben Kriegsenkel früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen.

 

Sie bieten auch Fortbildungen für Kollegen an, für Experten, wie Sie es sind. Das kann eine interessante Erweiterung des Geschäftsmodells sein, indem Sie sich eine weitere Zielgruppe erschließen und Multiplikatoren für Ihre Arbeit gewinnen. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen damit?

Ja, ich biete für Coachs, Therapeutinnen und HeilpraktikerInnen Workshops an, in denen sie lernen, mit dem Genogramm oder dem My-Life-Storyboard zu arbeiten. Demnächst werde ich auch Fortbildungen für Ärzte anbieten.

Generell scheint für meine KollegInnen dieser zeitgeschichtliche und der familienbiografische Aspekt in Coaching- und Therapieprozessen auch sie sehr wichtig zu sein. Das zeigt mir das positive Feedback der KollegInnen, die meine Workshops besucht haben.

Attraktiv ist dieses Modell für Coachs & Co. eben auch, weil Probleme nicht mehr als individuelles Versagen erscheinen, sondern als ein sinnvolles – wenngleich suboptimales –  Verhalten, das in einem psycho-bio-sozialen-historischen Kontext angesiedelt ist. Und auch, weil es andere Wege zu Lösungen und überhaupt andere Lösungen zulässt: Störungsbilder erscheinen als Bedürfnisbilder.

Nicht das Geschäftsmodell stand im Vordergrund, sondern einfach der Impuls meinen Ansatz  mit Problemen und dem Finden von Lösungen – privat und beruflich – an andere ExpertInnen weiter zu geben. Das sollten sich alle Solo-UnternehmerInnen überlegen. Denn sie bieten alle eine einzigartige Expertise an. „Lassen Sie doch andere an Ihrem Wissen teilhaben!“, möchte ich an dieser Stelle meinen KollegInnen bzw. den SolounternehmerInnen sagen.

 

Welchen Tipp können Sie Menschen geben, die sich von ihrer Vergangenheit/ Familiengeschichte blockiert fühlen? 

Die Arbeit mit dem Familienstammbaum / Genogramm bietet eine große Chance, sich ein differenzierteres Bild von der bisher gesehenen Vergangenheit oder der Familiengeschichte zu verschaffen und vor allem die Ressourcen in den Blick zu nehmen. Denn wer stolz auf seine Herkunftsfamilie sein kann, stärkt sein berufliches und privates Selbstbewusstsein. Alle wollen den Rückenwind einer kraftvollen Familie spüren und nutzen.

 

Und zu guter Letzt: Was empfehlen Sie Solo-Unternehmern, die wie Sie mit einem einzigartigen Angebot an den Markt gehen?

Die Kunst besteht darin, zu prüfen, ob das einzigartige Angebot ein allgemeineres wichtiges Thema oder Bedürfnis enthält.

Mein Kriegsenkel-Thema kommt vielleicht wie ein Nischenthema daher, beinhaltet aber die grundsätzliche Frage: Wie bin ich geworden, was ich bin? Was genau habe ich auf meinem ganz besonderen Lebensweg an Kompetenzen entwickelt? Diese Frage steht über allem und beschäftigt weit mehr als nur die Kriegsenkel.

 

Ich bedanke mich bei Ingrid-Meyer-Legrand für dieses spannende Interview.  Hier erfahren Sie mehr über ihre Arbeit.

Bildquellennachweis: Ingrid Meyer-Legrand

Monika BirknerMonika Birkner, Business Transformation Coach, Freedom Business Strategist und Buchautorin mit einem Herz für Solo-Unternehmer und intelligenten Strategien für deren finanzielle und persönliche Freiheit
 
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